25 Jahre zurück.
Im Jahr 2000 brachten wir das letzte von vierzehn Rock-Symphony-Konzerten auf die Bühne. Damals in Eppelheim in der Rudolf-Wild-Halle.
Aber die Kombination von populärer Musik und Klassik war im Vokalensemble nie von der musikalischen Agenda verschwunden und auch immer Teil von Konzerten, zum Beispiel in der Ohrenzeugen-Reihe. Schließlich war es die 1. Vorsitzende Margarete Hertel, die den letzten Anstoß gab, um das jetzige Projekt zu starten: aus Rock wurde Pop, Symphonies ist geblieben.

Geändert hat sich aber die Konzeption. Rock-Symphonies war (zumindest bei den letzten Konzerten) in Abschnitte gegliedert: In der Ausgabe der Jahre 1999/2000 kommentierten Musiktitel die Themen Digitalisierung, Atomkraft, Raumfahrt und Europäische Union.

In den Pop Symphonies 2025 stelle ich neben der Musik jetzt den Menschen in den Mittelpunkt eines Prozesses. In dessen Verlauf lernt eine junge Persönlichkeit zweierlei: einmal, sich gegen seine Altersgenossen zu behaupten und Pop und Klassik gleichermaßen zu lieben, zum anderen, sich gegen die Erwartungen des Elternhauses durchzusetzen und den Beruf des Sängers zu ergreifen. Dafür prädestiniert, all das in einer Person zu vereinen und mit allen Widrigkeiten (aber auch Glücksgefühlen) zu erleben, ist Holger Ries, unser Protagonist, der dies am eigenen Leibe erfahren hat.

25 Jahre zurück in die Zukunft.
Rock-Symphonies war nicht denkbar ohne ihn. Und seine Zukunft hätte ihn absolut sicher auch zu den Pop Symphonies geführt. Deshalb ist unser Projekt auch eine Reminiszenz an einen großen Künstler und eine Verbeugung vor einem Menschen, der damals von uns gehen musste: Hans Münch.

Erwin Schaffer

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Zwei Seelen

wohnen ach in seiner Brust. Die klassische lebt in Richard Ries, die popmusikalische in Richie Rees. Natürlich ist dem Jungspund Richie das Hemd näher als die Jacke. Klar - und dies nicht zuletzt wegen der Girls. Denn singen kann er - und vorne, ganz vorne an der Bühne stehen!
Aber dann begegnet ihm etwas, das er nicht kannte, etwas, das in seiner Welt bisher fremd war: Die Musik von Beethoven. Und einmal richtig zugehört, da macht es bei ihm klick: die Fünfte rauscht als Orkan über in hinweg, nein: direkt in ihn hinein.

Also, genug Konfliktpotential für einen Teenager: Pop oder Klassik?
Nee, für den Jungen heißt es: Pop und Klassik. Allerdings muss man in Kauf nehmen, dass man bei den Freunden und bei den Mädels („Hä Richie, was geht?“) erstmal eine uncoole Nummer ist. Und das Elternhaus? „Richard! Schule und Ausbildung gehen vor. Lern was Vernünftiges, nicht dieses…dieses da mit der Musik. Denk an deine Zukunft.“ Also gut, Richard ist ja nicht blöd - und erst recht auf Papas (monetäres) Wohlwollen angewiesen.

Popmusik geht trotzdem so „nebenher“. Und wie! Die Gigs werden mehr und größer und führen Richie schließlich bis zu den großen Events. Doch dann ist plötzlich Schluss: die Stimme ist ruiniert vom vielen Touren und Ansingen gegen die Lautstärken auf den Bühnen. Richie ist am Ende.

Helfen kann da nur ein Doktor, ein Stimmdoktor. Also der Gesangslehrer. Und hier entdeckt Richie seine Richard-Stimme, seine „andere“ Stimme - und seine Liebe für die klassische Musik, die ihm ja bereits begegnet war, die aber bisher noch keine wirkliche Rolle spielte.
Was für eine Entdeckung und Eröffnung einer unglaublichen Welt! Für ihn eine Welt voller Schönheit, Tiefe und Ausdruckskraft. Und welch eine Gabe: Seine Stimme kann dies alles hervorholen und zum Klingen bringen. Richard ist fasziniert. Und so will er es wissen. Er setzt alles auf eine Karte, sicherer Job im Beruf hin oder her. Und irgendwann, nach langem Studium, ist es endlich so weit: Richard Ries wird zum Probesingen am Theater eingeladen: eine RIESige Chance. Aber ob es tatsächlich zu einem Engagement an der Oper reicht? Ob er mit Musik tatsächlich seinen Lebensunterhalt bestreiten kann? Die Hürden sind hoch und die Konkurrenz ist groß…

 

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Wolfgang und Elton

 
"Meine berühmte Kleine Nachtmusik ist nichts anderes als ein flott dahinkomponiertes energiegeladenes Stück, das mit seinen vielen kleinen sich wiederholenden Melodieschnipseln und der leicht überschaubaren, um nicht zu sagen primitiven, Gesamtform, dem populären Geschmack des Publikums frönt. Also durchaus Pop, warum auch nicht? Hochgeistiges gibt es genug von mir.“

„Ich habe Hit auf Hit geschrieben…fürs Publikum. Schließlich muss man leben, auch wenn’s arg einfach tönt. Die innere und wahre Expressivität meiner Musik zeigt sich aber erst in den weniger populären Stücken, bei denen Elemente wie harmonischer Reichtum und weite Melodieführung tragende Säulen sind, genau wie in der klassischen Musik. Nehmen wir doch nur mal mein

"Sorry seems to be the hardest word.“

Pop und Klassik

Also: Lebendigkeit und Energie der Popmusik auf der einen und Tiefe und Komplexität von klassischer Musik auf der anderen Seite. Aber wie gesagt: das passt auch umgekehrt. Oder beides ist miteinander verwoben. Man denke nur an „Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band“ von den Beatles und an diverse Opernarien der Puccinis oder Verdis. Das eine ist Pop mit klassischen Elementen, das andere Klassik mit Popattitüden. Gut, das ist etwas verkürzt ausgedrückt, aber doch in vielen Aspekten zutreffend.

Pop Symphonies

Die Übersetzung von „Symphonie“ aus dem griechischen zeigt, was damit gemeint ist: „Zusammenklang und Harmonie“. Pop (englisch von „popular“) meint „Populäres“.
Natürlich lässt sich dies je nach Meinung des Publikums weit fassen, - was darunter zu verstehen sei. Aber typisch ist das kreative Zusammenspiel und der Austausch beider Welten mit einem Ergebnis, das Freude macht. Ein Resultat, das die Kraft und die Schönheit der Musik feiert, das von Vielfältigkeit, von Toleranz und gegenseitiger Akzeptanz und Achtung zeugt.
Musik also, die man sich getrost auch als Vorbild für unser gesellschaftliches Zusammenleben nehmen kann - trotz oder gerade wegen vorhandener Diversitäten.

Together

Ein Konzert „Pop Symphonies“ ist somit nicht nur ein musikalisches Ereignis, sondern auch ein Symbol für die großen Möglichkeiten der kreativen Zusammenarbeit. Eine Fusion von Pop und Klassik zeigt, dass Musik (fast) keine Grenzen kennt und dass die Schönheit und Ausdruckskraft gerade auch in der Diversität liegen. Musik ist eine universelle Sprache, die Menschen unabhängig von ihrer Herkunft oder ihren Vorlieben verbindet oder zumindest verbinden kann.

„Pop Symphonies“: eine Hommage an die Vielfalt, an die Phantasie, an die Lebendigkeit und an die Kraft, musikalische (und nicht nur diese) Horizonte zu erweitern.

 

Pop oder Klassik

Er: „Was ist gute Musik, wo fängt Musik an, wo hört sie auf?“
Sie: „Darauf gibt es tausend Antworten. Mit allen kann ich nichts anfangen, für mich zählt etwas anderes.“
Der Brite Michel Faber kommt in seinem Buch von 2023 „Hör zu! Was Musik mit uns macht“ nach 500 Seiten, auf denen er sich ausführlich mit dieser Frage beschäftigt hat, zu dem Ergebnis: „Genieß die Musik, die dir über den Weg läuft – egal ob, wann und wie sie es tut. Und lass dir [...] nicht erzählen, was uncool ist und was nicht.“
Menschen lieben ihren Vivaldi, Mendelssohn oder Puccini, andere tun diese Musik als hohl und süßlich ab. Für wieder andere sind Revolver (Beatles) und Pet Sounds (Beach Boys) die größten Pop-Alben aller Zeiten. Andere sagen, es sei Müll und könne wahrer Musik nicht das Wasser reichen.
Ein drittes: Musik ist eine Ware. Dies in besonderem Maße, da sie zu kapitalistischen Zwecken benutzt (ich meine: missbraucht) wird. Musik im Kaufhaus, im Restaurant, in Bars, man treibt Fitness mit Musik, meditiert mit Musik, bewirbt alles Mögliche im Internet mit Musik, es gibt Musik zum Einschlafen, zum Aufwachen, Musik dämpft Lärmkulissen, und und und. Dem kannst du nicht entgehen. Augen kann man schließen. Ohren? Schwierig.
Deshalb, wenn du dir Musik auswählst, um dieses oder jenes Stück anzuhören, dann gilt der Titel von Fabers Buch: „Hör zu!“
Sich auf die Musik und nur auf die Musik zu konzentrieren, ist nicht einfach. Tatsächlich kann man es verlernen und hat das Weghören aus den oben genannten Widrigkeiten eingeübt. Oder es gibt individuelle Prämissen („Als ich das erstmals gehört habe, war ich gerade in einem schönen Urlaub“), die einem unvoreingenommenen Bewerten des Gehörten entgegenstehen.
Wie kommt man also der Musik wirklich „näher“, wie kann man sich ganz auf sie fokussieren und sie tatsächlich um ihrer selbst willen hören?
Da hilft es, Visuelles während des Hörens ausschließen, also die Augen zuzumachen, um sich nicht ablenken zu lassen. Werde zum „Ohrenzeugen“, wie eine Konzertreihe des Vokalensembles Sinsheim lautet. So kann man wirklich entdecken, wieviel einem dieses oder jenes Stück bedeutet. Und wenn es dir etwas bedeutet, dann ist es gute Musik - für dich.

shafe the shafe

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Nicht mein Ding (?)

Man mag es verurteilen oder sogar als gotteslästerlich empfinden, die Musikwelten in unserem Konzertprojekt Pop Symphonies zusammenzubringen oder zu vermischen. Zumal diese Welten sowieso schon als gegensätzliche und abgegrenzte Universen gelten. Wo es dennoch Berührungspunkte und kongruente Inhalte gibt, habe ich an anderer Stelle versucht zu zeigen. Lassen wir eine abschließende Beurteilung außen vor. Sie ist sowieso schier unmöglich.

Die Intention bei diesem Projekt besteht vielmehr zum einen in der Absicht, zu zeigen, dass Menschen verschiedene Musiken mögen: Musik, die den einen zutiefst berührt, lässt einen anderen völlig kalt. Ein und dieselbe Musik kann den einen total aus dem Häuschen geraten lassen, ein anderer würde dafür keinen Cent ausgeben.

Zum anderen geht es bei unserem Konzert aber in Wirklichkeit um den Menschen, um den musikhörenden Menschen. Und zwar um denjenigen, der so viele unterschiedliche Musiken, Musikstile, Musikaufführungsmöglichkeiten, musikalische Zusammenhänge und Hintergründe liebt, dass er nicht weiß wie ihm geschieht.

Bach, Mozart, Beethoven zu mögen, Schubert und Mahler auch, das mag ja für den Klassikliebhaber angehen – bei Strawinsky und Bartok wird’s schon eng, Stockhausen und Ligeti sind dagegen ausgeschlossen.
Pop-Fans stehen vielleicht auf Indie oder Hardrock, Liedermacher oder Metal. Bei art rock oder Hip-Hop dagegen wird die Nase gerümpft. Sting, Taylor Swift dudeln rauf und runter, Michael Kiwanuka kennt man kaum und Angélique Kidjo schon gar nicht mehr. Denn vieles wird einem nicht mehr (im Netz) angeboten, wenn man erst einmal Sklave der Algorithmen geworden ist.

Nicht einfacher wird es, wenn Klassik und Pop eine Rolle spielen. Man öffnet sich beidem und muss noch mehr „Konfrontation“ aushalten. Aber eine Chance besteht gerade darin: Die Ohren werden so geschärft, dass der Blick von der Klassik zum Pop und umgekehrt helfen, das jeweilige Musikstück aus der gegenüberliegenden Position zu hören und zu beurteilen. Das dies möglich ist, soll auch unser Konzertprojekt beweisen.

Richard oder Richie?

Das ist für unseren Protagonisten erstmal überhaupt nicht klar. Aber er hält seine Ohren offen, er hört wirklich zu und lässt die Musik in sich hinein. Seine Abwehrmechanismen gegenüber Neuem oder Andersartigem hält er im Zaum. Vielmehr gibt er der Musik eine Chance und ist bereit, sie ohne Vorurteile auf sich wirken zu lassen. Einige Mühe kann und soll dazu gehören.

Und er findet beides: Richards Musik und die von Richie werden eins in einer Person. Welch großer Gewinn! Welch weite Welt, welch große Freiheit! Und letztendlich: welch große Freude und ungeheures Vergnügen.

Oft höre ich den Satz: „Ist nicht mein Ding.“ Wie, was für ein Ding? Der Sound, die Gitarren, der Gesang? „Nee, einfach nicht mein Ding.“ Kann und muss man dann so stehen lassen.
Aber vergibt man sich damit nicht die Möglichkeit, etwas kennenzulernen, dass anders ist als man selbst. Etwas, das die eigene Persönlichkeit nur erweitern kann. Danach lässt sich ein Urteil fällen und ein Standpunkt einnehmen. Ein Standpunkt, der mir sagt, diese Musik gefällt mir und jene Musik gefällt mir nicht.

Zu guter Letzt eröffnet sich eine weitere Möglichkeit, nämlich die Fähigkeit zu beurteilen, was gute Musik ist und was weniger gute Musik ist - bei allem Vorbehalt, der letztlich bleiben mag. Aber viel zu hören, bedeutet viel kennenzulernen. Viel kennenzulernen bedeutet, viel vergleichen zu können. Das bedingt wiederum, einer Komposition, einem Song auf den Grund zu gehen und dies auch ohne erstarrende Ehrfurcht vor großen Namen. Auch bei diesen gibt es nämlich Gelungenes und weniger Gelungenes.

Sergej Prokofjew hat wunderbare Stücke komponiert, man denke nur an seine Symphonie Classique oder an Peter und der Wolf. Aber nicht alles reicht an diese Qualität heran:

Heidelberger Frühling 2025: Der phantastische Igor Levitt spielt alle 5 Klavierkonzerte von  Sergej Prokofjew in einem Zyklus von 3 Abenden.
Konzert Nr. 1 ist komponiert als eine Art Abschlussarbeit seiner Moskauer Studienzeit: klischeehaft in melodischer und rhythmischer Führung, vorhersehbar im formalen Aufbau, langweilig, weil du weißt/schon hörst, was als nächstes kommt. Wahrscheinlich eine typische Prüfungsarbeit, um die Erwartungen der beurteilenden Professoren zu erfüllen.
Ganz anders das 5. Klavierkonzert: es strahlt unbändige Energie im Rhythmus und der instrumentalen Klanggestaltung aus. Es besitzt Expressivität in einer weit ausladenden Melodik, zugleich aber auch in den verinnerlichten Melodien in anderen Abschnitten. Dazu hat es eine spannende Formentwicklung mit überraschenden Wendungen. Um es kurz und böse zu sagen: „Das 1. kann weg, das 5. gehört auf die Konzertbühnen.“

Man verzeihe mir diese (natürlich rein persönliche) Ausführung. Sie soll lediglich zeigen, dass Musikhören und Musikverstehen Jedermanns „Ding“ sein kann. Und ist dadurch die Musik nicht als umso zu erfüllender zu erleben und zu genießen?

shafe the shafe

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Mitwirkende

Well Nell Band
Bernd von Göler - Gitarre
Frank Backes - Bass
Jörg Burgstahler - Schlagzeug
Werner Freiberger - Keyboard, akustischer Flügel


Big Su Orchestra
Arne Müller
Konzertmeister/Kurpfalzphilharmonie Heidelberg

Vocals

Holger Ries – Richie, Richard
Bernd Pfeiffer - Bernie
Tracy Plester - Tracy
Viola Schuch
Carmen Schrötel

Szenisches Spiel
Dietmar Engelmann
Rolf Geinert
Angelika Grünberger
Robert Münster
Regina Pottiez
Carmen Schrötel
Käte Stroh


Inszenierung
Daniel Driedger

Licht
Dr.-Sieber-Halle, Sinsheim

Projektionen
Joachim Heitel

Chordesign
Annerose Hassert

Sound
live art – Mosbach

Idee, Konzeption,
Arrangements und Bearbeitungen
shafe the shafe

Direktion
shafe the shafe

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Pop Symphonies

Palladio,1. Satz, gekürzt - Karl Jenkins

Sirius - Alan Parson

Eye in the Sky - Alan Parson

Life is a Roller Coaster - Ronan Keating

California Girls - Beach Boys

  1. Sinfonie, Exposition - Ludwig van Beethoven

Easy Lover - Phil Collins/Philip Bailey

Das Wandern – Franz Schubert

Klavierkonzert Nr. 21, 2. Satz, gekürzt - Wolfgang Amadeus Mozart

Missing - Everything but the Girl

Everybody hurts - R.E.M.

Walzer Nr. 2 – Dmitri Schostakowitsch 

An die Musik - Franz Schubert

Sorry seems to be the hardest word - Elton John

Get lucky - Daft Punk

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Chop Suey! - System of a Down

Nessun dorma (instrumental) - Giacomo Puccini

Human - Rag ‘n’ bone Man

Caruso - Lucio Dalla

Bridge over troubled Water - Simon & Garfunkel

E lucevan le stelle - Giacomo Puccini

Brindisi - Guiseppe Verdi

Lascia ch’io pianga – Georg Friedrich Händel

You give me something - James Morrison

Don’t stop - Fleetwood Mac

Music - John Miles