Plakat: Joachim Heitel


Foto: Michael Schuchmann

Programm

Joseph Haydn: Die Schöpfung
Einleitung und Rezitativ mit Chor „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“
Tenorarie mit Chor „Nun schwanden vor dem heiligen Strahle“
Chor mit Soli „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“

Interview 1

John Williams: Theme from Schindler‘s List
Gabriel Fauré: Cantique de Jean Racine

Interview 2

Gerhard Gundermann: Gras
Puhdys: Wenn ein Mensch lebt               
Karat: Der blaue Planet                                              

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Felix Mendelssohn Bartholdy: Abschied vom Walde
Johannes Brahms: Wach auf, meins Herzens Schöne
Volkslied: Zogen einst fünf wilde Schwäne

Interview 3

Johann Strauß (Sohn): An der schönen blauen Donau

Interview 4        

Karl Jenkins: The Peacemakers
„Blessed are the Peacemakers“
„Fanfara“
„Meditation“
„Healing Light“

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Moderation/Interview: Rolf Geinert, Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Sinsheim a. D.
Interviewpartner/Ehrengast: Jochen Cornelius-Bundschuh, Landesbischof
der evang. Landeskirche Baden
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Ausführende:

Carolin Samuelis-Overmann, Sopran
Holger Ries, Tenor
Hans-Joseph Overmann, Bass-Bariton

Bernd von Göler, Gitarre
Werner Freiberger, Klavier und E-Keyboards 
Hans-Peter Schmitt, E-Bass
Jörg Burgstahler, Pauke und Percussion
N.N., Percussion

Heidelberger Kantatenorchester
Jeanette Pitkevica, Solovioline

Vokalensemble Sinsheim
Chorsolistinnen: Carmen Schrötel, Viola Schuch
GastsängerInnen:
SAP-Chor Walldorf (Leitung: Hans-Joseph Overmann)
Chorakademie Rhein-Neckar (Leitung: Gerhard Schramm)

Plakat: Joachim Heitel
Requisite und Chordesign: Annerose Hassert

Leitung: Erwin Schaffer

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Dass unser Programm a priori wegen der Titelgebung durch Internationalität und Diversität geprägt ist, erscheint einsichtig. Darüber hinaus will unser Programm aber nicht nur als ein bloß unterhaltsamer Beitrag im Konzertangebot begriffen werden, sondern auch als ein Diskursangebot im Reflexionsraum über die Vorgänge in der Politik, der Gesellschaft und der Kultur.
Die Musikwissenschaftlerin Christine Fischer, Intendantin von „Musik der Jahrhunderte“ und des „Eclat-Festivals“ in Stuttgart, sprach in der SWR2-Sendung „Die Musikstunde“ vom 05.06.2021 von Kunst als einem unabhängigen Korrektiv über die Vorgänge in der Politik und der Kultur überhaupt. Man müsse den Kulturbegriff neu denken, die Heimat verlassen, sich nicht an den alten Kulturbegriff klammern.
Wie Fischer sind wir der Meinung, dass wir als Gesellschaft um Demokratie, freies Denken, Diversität und das Recht auf Widerspruch kämpfen müssen. All dies wird in der Kultur verhandelt, ob man sich dessen bewusst ist oder nicht, denn alle unsere kulturellen Veranstaltungen sind Beiträge und Kommentare zur Gestaltung unserer Gesellschaft. Und diese Gestaltung liegt in unseren Händen.

Unzweifelhaft setzen wir uns mit unserem Programm für Demokratie, Diversität und freies Denken ein und erklären unsere Loyalität zur Deutschen Einheit und zur Vielfalt in einem geeinten Europa.
Dies alles tut Not, denn diese Werte sind unter anderem durch Rassisten und durch Parteien bedroht, die rechtspopulistische und rechtsextreme Ansichten vertreten.

Wir sind dafür dankbar, dass die Kulturinstitution der Großen Kreisstadt Sinsheim Formate und Öffnungen bereitstellt und diese Art von Konzertabend ermöglicht. Ebenfalls danken wir unseren Sponsoren. Auch sie zeigen dadurch, dass sie sich -wie wir meinen- einer gewissen Verantwortung bewusst sind.

(Erwin Schaffer)

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Unsere musikalischen Beiträge zum Tag der Deutschen Einheit und zur Europäischen Idee

Joseph Haydns berühmtestes Oratorium „Die Schöpfung“ thematisiert die Erschaffung der Welt und legt Zeugnis ab für die Existenz eines geordneten Universums, welches die Bestätigung einer göttlichen Vorsehung und Weisheit bedeutet.
Unsere minimale Auswahl der Teile beginnt beim Chaos, das es zu ordnen gilt. Erst am Ende der Einleitung nach langem Schreiten durch „Finsternis“ lässt Haydn in einem überwältigenden Ausbruch das „Licht“ siegen. „Nun schwinden des schwarzen Dunkels gräuliche Schatten“, die bösen Mächte stürzen und “eine neue Welt entspringt“.  Der Schlusschor (des ersten Oratorienteils) lobt „der göttlichen Hände Werk“.
Vom Chaos in die Ordnung: ein immer wiederkehrendes Motiv und Begehren in unserer Welt, erst recht wieder einmal in unser aller alltäglichem Leben.
Die Eröffnung unseres Galakonzertes mit Haydns „Schöpfung“ ist auch eine Hommage an Hans Münch. Der bedeutende Sinsheimer bildende Künstler schuf die Holz-Lithographie, die unser Plakat abbildet, unmittelbar vor seinem Tod im Jahr 2001 für ein Vokalensemble-Konzert mit eben diesem Haydn-Oratorium in seiner Gesamtheit.

 

Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ lenkt den Blick auf das Verbrechen an den europäischen Juden zur Zeit des Holocaust. John Williams‘ Filmmusik, von der wir das Hauptthema mit ins Programm genommen haben, lässt in unprätentiösen Klangbildern zwar einen emotionalen Eingang zu, vermeidet aber Sentimentalität und auf alle Fälle Bombast (wie sonst bei Williams nicht unüblich).
Thematisch ist das große Violinsolo durch die Seufzermotivik geprägt, das seit dem Barock als Ausdruck von Schmerz, Trauer und Klage gilt.
Dieser Programmpunkt darf auch als Verbeugung vor Margot Friedländer verstanden werden, die als Überlebende des Holocaust sich auch mit 99 Jahren, besonders im Gespräch mit jungen Menschen,  unablässig gegen Antisemitismus, Rechtsextremismus und Ausgrenzung engagiert.

 

Der französische Komponist Gabriel Fauré schrieb seine Komposition Cantique de Jean Racine auf einen Text eines ambrosianischen Hymnus‘ aus dem 4. Jahrhundert n. Chr., den eben Jean Racine, Dramatiker und Schriftsteller des 17. Jahrhundert, ins französische übersetzte. Bis heute wird diese Form der Liturgie und der Kirchenmusik verwendet und besonders in der Region Mailand und in den Tälern Tessins gepflegt. Cantique de Jean Racine ist eine flehende Bitte an Gott, die Lieder seines Volkes zu erhören und es in seinem Himmelreich aufzunehmen.

 

Zensur und absolute Kontrolle durch den Staat verhinderten eine freiere Entfaltung der Musik der Jugendkultur in der DDR. Alle Songtexte mussten genehmigt werden, Auftritte mussten nach bestimmten Schemata ablaufen.
So wurden die Puhdys, eine der Ur-Rockbands der DDR, 1970 mit einem Auftrittsverbot belegt, weil ihre Musikanlage mehr als die üblichen 70 bis 80 Watt betrug. Auch habe es „die Kapelle“ nicht verstanden, den Ablauf so zu gestalten, dass „jedwede Hektik unter den jugendlichen Tänzern hätte vermieden werden können“. Walter Ulbricht hatte bei Aufkommen der Beatmusik schon 1965 beklagt: „Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, kopieren müssen?“ (Quelle wikipedia).
Wenn ein Mensch lebt: Der Text nimmt Bezug auf einen Bibeltext, dem Buch Kohelet, das vor allem Weisheitssprüche und Ratschläge zur Lebensführung enthält.
Karat wurde mit „Über sieben Brücken“ aus dem Jahr 1979 auch im Westen bekannt. Der Text von Der blaue Planet von 1982 schildert Ängste und Gefahren einer nuklearen Katastrophe als Folge des sich verschärfenden Kalten Krieges. Orientalische Musikmerkmale verbinden sich hier mit europäischer Rockmusik.
Gerhard Gundermann war Baggerfahrer im Lausitzer Braunkohlerevier und galt mit seinen Liedern als Sprachrohr der Menschen. Sein Gras beschreibt das alltägliche Leben mit seinen Wünschen, Hoffnungen und (Un-)möglichkeiten in der DDR.

 

Felix Mendelssohn-Bartholdy war ein wahrhaft europäischer Komponist, bereiste er doch Schottland, Italien und Frankreich und pflegte besondere Kontakte nach London. Die Einflüsse dieser Kontakte sind auch in seinen Kompositionen hör- und nachweisbar.
Johannes Brahms dagegen blieb, nachdem er von Hamburg nach Wien gegangen, zeitlebens ortsansässig. Immerhin zeugen seine „Ungarischen Tänze“ und seine „Zigeunerlieder“ vom Willen, auch Volksliedhaftes anderer (östlicher) Länder in seine Musik einfließen zu lassen.
Die Volksliedmelodie Zogen einst fünf wilde Schwäne stammt aus Ost- und Westpreußen und dem Memelland, also dem heutigen Polen und Litauen. Der Text beschreibt eindeutig die Folgen und die Sinnlosigkeit des Krieges.

 

Die Donau durchzieht oder berührt 10 europäische Länder, so viele wie kein anderer Fluss auf der Erde: Deutschland, Österreich, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien, Rumänien, Moldawien und die Ukraine. Sie verbindet seit jeher und in Zukunft unterschiedliche politische Systeme und Kulturkreise und kann als Symbol für Vielfalt und Einheit gleichermaßen gesehen werden, fernab von jeglichem Dogmatismus oder wie auch immer gearteten politischen Strömungen.
Filmregisseur Stanley Kubrick setzte die Musik in seinem Film „2001: Odyssee im Weltraum“ als ideale Untermalung der bildhaften Korrespondenz zwischen der schwebenden Raumstation und unseres wundervollen blauen Planeten ein: eine Allegorie unseres schützenswerten und notwendig zu schützenden Lebens auf der Erde im Spannungsverhältnis von Gegenwart und Zukunft.

 

Der Titel von Karl Jenkins‘ Komposition The Peacemakers spricht für sich selbst. Sein Werk stellt eine Ehrerbietung an die Männer und Frauen dar, die sich bekanntermaßen für Frieden einsetzten oder dies noch tun: Nelson Mandela, Mahatma Gandhi, Mutter Theresa, Martin Luther King, Anne Frank, Dalai Lama und andere. Diese Persönlichkeiten weiten durch die Komposition des Engländers unseren Blick von Deutschland, von Europa in die Welt. Jenkins lässt Einflüsse der verschiedensten Länder- und Kulturkreise und Religionen in Musik und Text zu Wort kommen. Mit einer Zeile des persischen Mystikers Rumi aus dem 13. Jahrhundert fasst er das Ethos seines Stückes zusammen: „Alle Religionen singen dieses eine Lied: Friede sei mit dir.“
In Blessed are the Peacemakers verwendet Jenkins eine Textpassage aus dem Matthäus-Evangelium und kombiniert sie mit dem hebräischen und arabischen Wort für Frieden, sowie mit dem gleichbedeutenden Ausdruck aus dem indischen (Hindi).
Die Fanfara lässt den Ruf nach Frieden in den verschiedensten Sprachen der Welt ertönen: japanisch, finnisch, lateinisch, ungarisch, russisch, aramäisch, chinesisch (Mandarin), um nur einige zu nennen.
Meditation ist Terry Waite gewidmet, der als Sondergesandter des Erzbischofs von Canterbury von Terroristen in Beirut gefangengenommen wurde, als er die Freigabe von Geiseln zu sichern versuchte und für nahezu 5 Jahre in Gefangenschaft verbrachte.
Healing Light schließlich führt uns zurück nach Europa und zur europäischen Folklore, zu einem keltischen Gebet: Möge unsere wunderbare Natur und Welt, die schäumenden Meere, die bewegte Luft, die ruhende Erde, die hellen Sterne, die sanfte Nacht dir Frieden bringen. In der abschließenden Strophe kehrt Jenkins dann ganz in den christlichen Kulturkreis mit unserem Verständnis von Frieden zurück: Möge tiefer Friede durch Christus, als dem Licht der Welt, dich erreichen.

(Erwin Schaffer)